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Baueinstellung
Darf eine Baueinstellungsverfügung mündlich erfolgen?
Auch eine Baueinstellungsverfügung kann – wie grundsätzlich jeder Verwaltungsakt – schriftlich erfolgen, Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG. Insofern kann der Baukontrolleur also sofort den Weiterbau untersagen, wenn er auf der Baustelle Unregelmäßigkeiten feststellt.
Allerdings ist es sinnvoll und in der Praxis auch die Regel, diesen VA auch ohne Antrag gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 2 schriftlich zu bestätigen. Denn nur dann ist die Klagefrist (§ 58 Abs. 1 VwGO) in Gang gesetzt. Außerdem wird regelmäßig die sofortige Vollziehbarkeit der Einstellung erstrebt sein und das besondere Interesse hieran muss stets schriftlich begründet werden (§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
Bedarf es bei der Baueinstellung einer Anhörung?
Grundsätzlich ja, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG.
Jedoch dürfte regelmäßig eine sofortige Entscheidung gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 angezeigt sein, wodurch die Anhörung entbehrlich wird.
Wann darf eine Baueinstellung frühestens und wann spätestens verfügt werden?
Dies kann man schon rein begrifflich beantworten: Eingestellt werden kann nur etwas, was bereits begonnen, aber noch nicht beendet wurde.
Allerdings kann man wohl eine Baueinstellung auch bereits dann verfügen, wenn noch nicht mit dem Bau begonnen wurde, aber der Baubeginn unmittelbar bevorsteht. Es wäre unsinnig und formalistisch, wenn die Bauaufsichtsbehörde hier noch tatenlos zusehen müsste, aber im Moment des ersten Spatenstichs sofort einschreiten dürfte.
Genügt für eine Baueinstellung die formelle Illegalität?
Ja, bereits formelle Illegalität ist ausreichend, um eine Baueinstellung zu verfügen. Schließlich bedeutet dies nur, dass vorerst nicht weiter gebaut werden darf – ein Eingriff in die Substanz liegt also gerade nicht vor. Die Verzögerung ist gerechtfertigt, da der Bauherr gegen seine Pflicht, vorher eine Genehmigung zu erlangen, verstoßen hat. Ansonsten würde die Baugenehmigung faktisch entwertet.
Bedarf die Ermessensentscheidung für eine Baueinstellung einer eingehenden Begründung?
Nein, regelmäßig dürfte die formelle oder materielle Rechtswidrigkeit für sich genommen bereits eine Baueinstellung begründen. Das Ermessen der Behörde ist insoweit intendiert.
Ist die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens bei der Entscheidung über die Baueinstellung zu berücksichtigen?
Ja, aber nur, wenn das Vorhaben wirklich offensichtlich genehmigungsfähig ist. In diesem Fall wäre es unter Umständen ermessensfehlerhaft, die Baueinstellung zu verfügen.
Nicht notwendig ist aber die vorherige Durchführung einer eingehenden materiellrechtlichen Prüfung. Bedarf diese Frage also näherer rechtlicher Erwägungen oder gar weiterer Nachforschungen, darf allein wegen der mangelnden Genehmigung die Einstellung angeordnet werden.
Wann hat ein Nachbar einen Anspruch auf Baueinstellung?
Wie bei fast allen Entscheidungen gibt es nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Ein Anspruch auf eine bestimmte Anordnung, hier als auf Baueinstellung, ist nur dann gegeben, wenn sich das Ermessen auf null reduziert hat, also nur noch eine bestimmte Entscheidung rechtmäßig ist.
Eine solche Ermesserungsreduzierung ist regelmäßig nur gegeben, wenn das Vorhaben tief in nachbarschützende Normen eingreift und es dem Nachbarn daher unzumutbar wäre, den Bau weiter dulden zu müssen.
Wie wird die Baueinstellung durchgesetzt?
Wird der Baueinstellung zuwidergehandelt, kann die Baustelle gemäß Art. 75 Abs. 2 BayBO versiegelt werden. Baugeräte dürfen beschlagnahmt werden.
Zudem können Zwangsmittel, regelmäßig zunächst das Zwangsgeld (Art. 31 VwZVG), angedroht werden. Dies geschieht häufig gleichzeitig mit Erlass des Grundverwaltungsakts gemäß Art. 36 Abs. 2 VwZVG.
Baubeseitigung
Bedarf es bei der Baubeseitigung einer Anhörung?
Ja, gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG ist eine Anhörung stets vorgehen. Im Gegensatz zur Baueinstellung ist die Anhörung hier auch normalerweise nicht entbehrlich, da das Ziel (der Abriss) auch durch eine spätere Entscheidung nach der Anhörung noch erreicht werden kann.
Genügt für eine Baubeseitigung die formelle Illegalität?
Nein, das bloße Fehlen einer Genehmigung darf nicht dazu führen, dass wertvolle Wirtschaftsgüter vernichtet werden müssen. Notwendig ist immer auch eine materielle Illegalität.
Auf welchen Zeitpunkt ist für die Prüfung der materiellen Rechtslage bei der Baubeseitigung abzustellen?
Die materielle Rechtslage ist für den Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde abzustellen. Sollte sich aber danach die Rechtslage zugunsten des Bauherrn verändern, ist dies bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz zu berücksichtigen.
Wann kann eine formell legal errichtete Anlage beseitigt werden müssen?
Auch bei Vorliegen der notwendigen Genehmigung ist eine Baubeseitigung denkbar, sofern der Bau materiell rechtswidrig ist. Denn viele Normen werden in bestimmten Baugenehmigungsverfahren nicht mehr geprüft, die Genehmigung kann also von vornherein die Übereinstimmung mit diesen Normen nicht bescheinigen.
Wann besitzt ein Schwarzbau Bestandsschutz?
Ist eine bauliche Anlage sowohl formell als auch materiell illegal, so kann sie trotzdem Bestandsschutz genießen, wenn sie ursprünglich materiell rechtmäßig errichtet wurde. Diese Rechtmäßigkeit muss sich aber über mindestens drei Monate erstreckt haben.
Diese Ansicht der Rechtsprechung könnte sich aber in Zukunft ändern, da sie in der Literatur zum Teil scharf kritisiert wird.
Handelt es sich bei der Frage der Alternative zur Baubeseitigung (Art. 76 Satz 1 a.E. BayBO) um ein Tatbestandsmerkmal?
Dies ist strittig. Art. 76 Satz 1 BayBO sagt aus, dass eine Baubeseitigung nur angeordnet werden kann, „wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können“.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof sieht dies als Tatbestandsmerkmal. Zunächst muss festgestellt werden, dass die Beseitigung der einzige Weg zur Rechtsmäßigkeit ist. Erst danach kann sich die Behörde darüber Gedanken machen, ob eine Beseitigung in Betracht kommt und muss eine Ermessensentscheidung treffen.
Das Bundesverwaltungsgericht versteht diese Einschränkung dagegen als Teil der Ermessensentscheidung. Dadurch ist die Frage nicht mehr gerichtlich voll nachprüfbar, da sie nur bei der Prüfung auf Ermessensfehler eine Rolle spielt.
Wann begründet behördliche Untätigkeit einen Vertrauenstatbestands zugunsten eines Schwarzbaus?
Dass ein Nichthandeln der Behörde tatsächlich berücksichtigenswertes Vertrauen schafft, ist eher selten. Regelmäßig wird man bloße Untätigkeit nicht ausreichen lassen, es muss vielmehr ein „qualifiziertes Unterlassen“ vorliegen.
Gibt es einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit anderen Schwarzbauern?
Ja. Es kommt nicht selten vor, dass in einem zusammenhängenden Gebiet viele Schwarzbauten entstehen. In diesem Fall muss die Behörde grundsätzlich alle gleich behandeln, also entweder alle Schwarzbauten dulden oder alle zum Abriss zwingen.
Daneben gibt es aber auch die Möglichkeit einer Differenzierung, aber nur nach sachgerechten Kriterien. Es können also auch nur einzelne Baubeseitigungsanordnungen erlassen werden, wenn die Auswahl in vernünftiger Weise vorgenommen wird. Denkbar ist eine Unterscheidung nach der Baugröße oder die Gewährung von Bestandsschutz für ältere Bauten. Insoweit kann also keine Gleichbehandlung mit sachlich anders gelagerten Fällen verlangt werden.
Wann braucht man eine Duldungsanordnung für eine Baubeseitigung?
Die Beseitigungsanordnung richtet sich regelmäßig nur gegen den Bauherrn. Dieser Bauherr kann aber nicht nur der Eigentümer, sondern bspw. auch der Pächter sein.
Um gegen diesen vollstrecken zu können, muss eine sogenannte Duldungsanordnung erlassen werden. Denn ansonsten gibt es ja keine Rechtsgrundlage für einen Eingriff in seine Rechte.
Ist eine Beseitigungsanordnung rechtswidrig, wenn eine notwendige Duldungsanordnung fehlt?
Nein, die Beseitigung ist nur unter Umständen nicht vollstreckbar, wenn sich der Berechtigte, der nicht Adressat der Beseitigungsanordnung ist, dagegen wehrt.
Was ist die Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung?
Nach herrschender Meinung ermächtigt Art. 76 Satz 1 BayBO auch zum Erlass der Duldungsanordnung. Es handelt sich dabei um ein wesensgleiches Minus: Wenn die Behörde die (aktive) Beseitigung anordnen kann, kann sie erst recht bloße das (passive) Dulden der Beseitigung anordnen.
Warum erlässt die Behörde nicht einfach Duldungsanordnungen gegen alle Berechtigten?
Auch hier gilt der allgemeine sicherheitsrechtliche Grundsatz der Störerauswahl, wie er in Art. 9 des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) festgelegt ist. Danach können normalerweise nur Störer, also Verantwortliche, herangezogen werden.
Der Mieter, der einfach nur in ein bestehendes Gebäude eingezogen ist, ist aber weder für den Zustand noch für das Erbauen des Gebäudes verantwortlich. Gegen ihn darf also grundsätzlich nicht (bzw. nur nachrangig) vorgegangen werden, Art. 9 Abs. 3, zweiter Halbsatz LstVG.
Nutzungsuntersagung
Genügt für eine Nutzungsuntersagung die formelle Illegalität?
Ja. Die Begründung ist im Wesentlichen die gleiche wie bei der Baueinstellung.
Ist die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens bei der Entscheidung über die Nutzungsuntersagung zu berücksichtigen?
Ja, allerdings nur, wenn sie dem Schutz von Mietern dient, die ihre einzige Wohnung durch die Untersagung verlieren würden. Dies wird damit begründet, dass ihnen ihr Besitzrecht nicht plötzlich genommen werden soll.
Wann ist eine Nutzungsänderung baurechtlich relevant?
Eine Nutzungsänderung gemäß Art. 55 BayBO ist theoretisch bei jeder Veränderung des Zwecks eines einzelnen Raums gegeben, wenn bspw. aus einem Kinderzimmer ein privates Arbeitszimmer wird. Allerdings ist nicht jede Nutzungsänderung automatisch baurechtlich relevant. Hierfür ist notwendig, dass in irgendeiner Form bauordnungsrechtliche oder bauplanungsrechtliche Gesichtspunkte berührt sind.
Einen Anhaltspunkt bietet die Frage, ob Belange des § 1 Abs. 6 BauGB berührt sind. In erster Linie wird es um die notwendige Stellplatzzahl, um Anfahrtsverkehr und um den Gebietscharakter gehen.
Sonstiges
Bestehen die bauaufsichtlichen Befugnisse weiter, wenn ein anderes Gestattungsverfahren einschlägig ist?
Ja, dann die baurechtlichen Anforderungen sind trotzdem einzuhalten. Allerdings werden die Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden dann von der nunmehr zuständigen anderen Fachbehörde wahrgenommen.
Hat der Nachbar einen Anspruch auf bauaufsichtliche Maßnahmen?
Nein, er hat nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung und in deren Rahmen auf Berücksichtigung auch seiner Belange.
Wann kann das Ermessen der Bauaufsicht auf null reduziert sein?
Dies kommt grundsätzlich nur bei erheblichen und intensiven Verletzungen nachbarschützender Normen in Betracht. Um die Position des Nachbarn nicht zu sehr zu untergraben, wird eine solche Verletzung aber regelmäßig anzunehmen sein, wenn der Verstoß nicht nur unerheblich ist.
Wann ist bauaufsichtliches Einschreiten im Wege der einstweiligen Rechtsschutzes anzuordnen?
Auch hier wird eine relativ niedrige Eingriffsschwelle verlangt. Danach genügen ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit den drittschützenden Regelungen und die Glaubhaftmachung einer mehr als lediglich bagatellhaften Betroffenheit.
Wie kann die Bauaufsichtsbehörde gegen ein materiell rechtswidriges, aber durch die Baugenehmigung legalisiertes Vorhaben vorgehen?
Da die Legalisierungswirkung einer bauaufsichtlichen Maßnahme entgegensteht, muss diese Wirkung zunächst beseitigt werden. Die Baugenehmigung, die einen Verwaltungsakt darstellt, muss also aufgehoben werden. Dabei ist die Rücknahme gemäß § 48 BayVwVfG die richtige Rechtsnorm, da die Baugenehmigung ja rechtswidrig war.
Anschließend kann wie gegen ein von Anfang an materiell illegales Vorhaben vorgegangen werden.