Verfassungsbeschwerde im Verwaltungsrecht

Auch im Verwaltungsrecht ist eine Verfassungsbeschwerde möglich.

Die Besonderheit besteht hierbei darin, dass sowohl die Behördenentscheidung als auch die nachfolgenden Gerichtsurteile der Überprüfung zugänglich sind. Dies liegt daran, dass auch die Behörden als staatliche Einrichtungen an die Grundrechte gebunden sind.

Rechtsanwalt Thomas Hummel beantwortet auf dieser Seite spezielle Fragen zu Verfassungsbeschwerden aus dem Verwaltungsrecht.

Ist die Verfassungsbeschwerde auch zulässig, wenn die Berufung nicht zugelassen wurde?

Grundsätzlich ja.

Die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts ist heute nicht mehr automatisch zulässig. Meist muss sie erst durch das Oberverwaltungsgericht bzw. den Verwaltungsgerichtshof zugelassen werden.

Sehr häufig wird die Berufung dann nicht zugelassen. Auch in diesem Fall ist aber die Verfassungsbeschwerde möglich. Denn der Rechtsweg ist auch damit ausgeschöpft.

Was ist, wenn die Berufungszulassung unzulässig war?

Grundsätzlich stellt sich dann die Frage, ob die Verfassungsbeschwerde noch zulässig ist oder ob der Rechtsweg schon nicht ordentlich abgeschlossen wurde.

Jedenfalls, wenn die Berufungszulassung wegen Fristversäumnis unzulässig war oder sonst ein echter formaler Fehler vorlag, wird die Verfassungsbeschwerde häufig ausscheiden.

Wenn die Berufungszulassung aber nur als unzulässig angesehen wurde, weil eine Rechtsverletzung nicht ausreichend substantiiert wurde, ist dies eher kein Ausschlussgrund. In diesem Fall muss jedoch geltend gemacht werden, warum das Oberverwaltungsgericht die Berufung hätte zulassen und die Grundrechtsverletzung abstellen müssen.

Kann auch eine Grundrechtsverletzung durch die Behörde gerügt werden?

Die ursprüngliche Grundrechtsverletzung geht fast immer von der Behörde aus.
Die ursprüngliche Grundrechtsverletzung geht fast immer von der Behörde aus.
Ja, im Grunde ist das sogar immer der Ansatzpunkt einer Verfassungsbeschwerde im Verwaltungsrecht. Denn die ursprüngliche Grundrechtsverletzung ergibt sich praktisch immer aus dem Handeln der Behörde, dessen Rechtswidrigkeit dann angefochten wurde. Den Verwaltungsgerichten wird dann nur zum Vorwurf gemacht, die Entscheidung der Behörde und die damit einhergehende Grundrechtsverletzung nicht aufgehoben zu haben.

Nur in Ausnahmefällen, wenn bspw. prozessuale Grundrechtsverletzungen gerügt werden oder sich die belastende Wirkung erst durch die gerichtliche Entscheidung ergeben hat (z.B. bei Drittwirkung von Verwaltungsakten), geht die Grundrechtsverletzung nur auf das Gericht zurück.

Da im Endeffekt aber immer die gerichtliche Entscheidung der Anknüpfungspunkt für die Verfassungsbeschwerde ist, ist es unerheblich, ob daneben auch eine Grundrechtsverletzung durch die Behörde vorlag.

Kann sich die Behörde im Verfassungsbeschwerdeverfahren auch auf Grundrechte berufen?

Grundsätzlich nicht. Die Behörde ist Teil des Staates, hat also keine Grundrechte. Die Grundrecht gelten nur für den Bürger und gegen den Staat.

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Anders verhält es sich aber, wenn Grundrechte dritter Personen zu beachten sind. Die Behörde muss in vielen Fällen zwischen den Grundrechten mehrerer betroffener Bürger abwägen. Insoweit kann sich die Behörde dann durchaus darauf berufen, die Grundrechte des einen zum Vorteil des anderen einschränken zu müssen.

Insoweit muss dann eine nachvollziehbare Abwägung erfolgt sein, die die widerstreitenden Grundrechte genau betrachtet und in ihrer Bedeutung berücksichtigt.

Muss auch die Verwaltungsakte eingereicht werden?

Ja, auf jeden Fall. Das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde, also der Antrag oder der originäre Verwaltungsakt, ist Teil der angefochtenen staatliche Entscheidung, ebenso wie die späteren Gerichtsurteile.

Somit müssen auch die dem Verfahren vorhergehenden staatlichen Entscheidungen und der dazu gehörige Schriftwechsel eingereicht werden. Idealerweise fügt man die gesamte Behördenakte bei.

Woher bekomme ich die Behördenakte?

Die Behördenakte erhält man durch einen Antrag auf Akteneinsicht. Die Kanzlei Abamatus von Rechtsanwalt Thomas Hummel kann dies für Sie übernehmen.

Aufgrund der kurzen einmonatigen Frist für die Verfassungsbeschwerde empfiehlt es sich aber, die Behördenakte bereits vorher anzufordern und zu kopieren oder idealerweise zu digitalisieren.

Gelten die Grundrechte auch im Ermessensbereich?

Ja. Auch wenn eine Behörde eine Ermessensentscheidung trifft, muss sie insoweit die Grundrechte beachten. Ermessen bedeutet keine Willkür.

Die Ausübung des Ermessens bedeutet gerade, dass die Behörde alle Rahmenumstände erkennen und erfassen muss. Erst, wenn sie dies getan hat, kann sie eine informierte und sachgerechte Entscheidung treffen. Dass sie insofern ein Ermessen besitzt, bedeutet lediglich, dass sie nicht bei bestimmten Tatsachen zu einer bestimmten Entscheidung gezwungen ist, sondern mehrere Möglichkeiten besitzt.

Müssen die Grundrechte schon im Verwaltungsverfahren eingefordert werden?

Nein, die Grundrechte sind von staatlichen Institutionen stets zu beachten. Das gilt natürlich erst recht für die Gerichte, aber auch vorher bereits für die handelnden Behörden.

Trotzdem kann es sich natürlich häufig anbieten, die Behörden bereits früh auf die Grundrechte hinzuweisen und so zusätzliche Argumente für die eigene Position ins Verfahren einzubringen. Verpflichtend ist dies aber nicht.

Ist es sinnvoll, weiter mit der Behörde zu verhandeln?

Ja, auf jeden Fall.

Solange die Verfassungsbeschwerde läuft, ist das Verwaltungsverfahren „eigentlich“ rechtskräftig abgeschlossen, die behördliche Entscheidung ist damit gültig und durchsetzbar.

Daher kann es sich oft anbieten, mit der Behörde zu sprechen, ob sie angesichts der laufenden Verfassungsbeschwerde dazu bereit ist, die Anordnung zurückzunehmen, freiwillig höhere Leistungen zu zahlen oder eine Form des Entgegenkommens anzubieten.

Im Rahmen eines Vergleichs kann dann auch die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt bzw. zurückgenommen werden. Soweit ein Ermessen der Behörde hierzu besteht, wird das in vielen Fällen positive Ergebnisse bringen.

Mit welchen Kosten muss ich rechnen

Das kommt ganz auf den Aufwand an. Die Kanzlei Abamatus und Rechtsanwalt Thomas Hummel werden Ihnen den Kostenrahmen mitteilen, sobald Sie die Unterlagen des Verfahrens übersandt haben, am besten in digitaler Form.

Grundsätzlich muss man mit Kosten in der Gegen von 5.000 bis 10.000 Euro plus Mwst. rechnen. Diese doch recht hohen Kosten ergeben sich aus dem meist hohen Zeitbedarf, um zuerst einmal die Akten durchzuarbeiten und danach eine wirklich überzeugende Verfassungsbeschwerde zu erstellen.

Wie geht es nach einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde weiter?

Grundsätzlich hebt das Bundesverfassungsgericht das angefochtene Urteil (jedenfalls das der letzten Instanz) auf und verweist es an das dann zuständige Gericht zurück. Dieses Gericht müsste nun prinzipiell die Verhandlung erneut durchführen und die Sache unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts neu entscheiden. Das ist in allen Rechtsbereichen so.

Im Verwaltungsrecht kommt aber dazu, dass das gerichtliche Verfahren ja meist auf eine Grundentscheidung der Behörde (z.B. Verwaltungsakt oder Antragsablehnung) zurückgeht. Hier ist es relativ häufig, dass die Behörde dann ihre eigene Entscheidung aufhebt bzw. im Sinne des Klägers abändert. Dann muss nicht nach der Verfassungsbeschwerde noch einmal der langwierige Rechtsweg durchschritten werden.

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