Spezialfälle

Darf der Staat Asylbewerber in Privatwohnungen unterbringen?

Ja, der Staat darf Wohnungslose (ob Asylbewerber oder Obdachlose) ausnahmsweise kurzfristig in leere Wohnungen einweisen, ohne dass der Vermieter sich dagegen wehren kann. Er erhält aber natürlich eine Entschädigung in Höhe der marktüblichen Miete. Rechtsgrundlage hierfür ist das Sicheheitsrecht.

Näheres dazu hier: Die Zwangseinmietung von Asylbewerbern

Inwiefern können Prüfungsentscheidungen gerichtlich überprüft werden?

Prüfungsentscheidungen können grundsätzlich nur in formeller Hinsicht, aber nicht inhaltlich überprüft werden. Überprüft wird also das Zustandekommen der Prüfungsbewertung, inbesondere:

  • die Beachtung der Verfahrensvorschriften
  • die Ermittlung des Prüfungssachverhalts
  • die Einhaltung der allgemeinen Bewertungsgrundsätze
  • das Vorliegen einer sachlichen Entscheidung
  • die Wahrung des (Chancen-) Gleichheitsgebots
Kann ich gegen die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU, „Idiotentest“) vorgehen?

Nein, dabei handelt es sich um keinen eigenständig regelnden Verwaltungsakt, sondern nur um eine Vorbereitung der Fahrerlaubnisentscheidung der Straßenverkehrsbehörde. Erst, wenn diese – unter anderem natürlich aufgrund der verweigerten MPU – zu einem negativen Ergebnis kommt, kann dieses angefochten werden. Im Rahmen der Klage wird das Gericht freilich auch prüfen, ob das Argument der verweigerten Untersuchung tragfähig ist, insbesondere, ob die Anordnung zu Recht erfolgt ist.

Was ist der Unterschied zwischen einem Planfeststellungs- und einem normalen Verwaltungsverfahren?

Das Planfeststellungsverfahren ist formeller und hat eine größere rechtsgestaltende Wirkung:

  • förmliches Anhörungsverfahren (Art. 73 BayVwVfG)
  • Ausschluss von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen (Art. 75 Abs. 2 BayVwVfG)
  • Ausschluss der Anfechtbarkeit wegen Abwägungsmängeln (Art. 75 Abs. 1a BayVwVfG)
  • Ausschluss von Einwendungen gegen den Plan nach Fristablauf (Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG)
Was ist eine Zusage?

Durch eine Zusage bindet sich die Verwaltung insofern, dass sie sich selbst dazu verpflichtet, später eine bestimmte Handlung vorzunehmen.

Ist die Zusage ein Verwaltungsakt?

Nein, da die Zusage keine Regelung enthält, sondern nur eine spätere Handlung in Aussicht stellt. Allerdings wird Art. 38 BayVwVfG auf die Zusage analog angewandt.

Was ist eine Zusicherung?

Eine Zusicherung (Art. 30 BayVwVfG) ist ein Spezialfall der Zusage. Inhalt der Zusicherung ist, einen VA zu erlassen oder nicht zu erlassen.

Ist die Zusicherung ein Verwaltungsakt?

Ja, da damit der spätere „entscheidende“ Verwaltungsakt vorweggenommen wird. Damit wird die Regelung an sich bereits getroffen, wenn auch noch nicht durch den abschließenden VA.

Sogar, wenn man die VA-Qualität der Zusicherung ablehnt, wird er aufgrund den Verweisungen in Art. 38 Abs. 2 BayVwVfG im Wesentlichen wie ein VA behandelt.

Warum muss auf Pfefferspray immer stehen, dass es nur der Tierabwehr dient?

Das hat waffenrechtliche Gründe.

Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 a) des Waffengesetzes gelten auch Gegenstände als Waffen, „die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen“. Abschnitt 1, Unterabschnitt 2, Nr. 1.2.2 der Anlage 1 zum WaffG fasst unter diese Gegenstände auch Pfeffersprays, bezeichnet als „Reizstoffsprühgeräte“.

Für Waffen gelten die strikten Vorgaben des Waffengesetzes, einschließlich der Notwendigkeit einer behördlichen Erlaubnis. Und dies will der Hersteller natürlich vermeiden, weil der Erwerb des Sprays für seine Kunden sonst uninteressant wird.

Damit Pfefferspray nicht als Waffe gilt, muss also sichergestellt sein, dass dieses nicht dazu bestimmt ist, gegen Menschen eingesetzt zu werden. Die Bestimmung legt der Hersteller selber fest – und er sucht sich eben die Tierabwehr aus. Welche konkreten Bedrohungen die Kunden im Auge haben, ist insofern nicht relevant. Allerdings darf derjenige, der sich mit einem Pfefferspray bewaffnet, dieses auch nur mit der Absicht der Verwendung gegen Tiere bei sich führen.

Eine ganz andere Frage ist aber, ob das Pfefferspray in Notwehr gegen Menschen eingesetzt werden darf.

Sind Schüler verpflichtet, am Sexualkundeunterricht teilzunehmen?

In aller Regel schon, eine Befreiung kommt nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Bloße religiöse Vorbehalte reichen hier normalerweise nicht aus.

Siehe auch: VG Münster, Urteil vom 08.05.2015, 1 K 1752/13

Haben Eltern das Recht, über den Sexualkundeunterricht ihrer Kinder informiert zu werden?

Ja, sie können verlangen, dass sie über Inhalte und Methoden informiert werden, um ihre Erziehungsrechte entsprechend wahrnehmen zu können.

Siehe auch: VG Münster, Urteil vom 08.05.2015, 1 K 1752/13

Wann wird ein Bundesgesetz und wann ein Landesgesetz angewendet?

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Gerade im Verwaltungsbereich stellt man fest, dass es eine größere Zahl grundlegender Gesetze gibt: Die Verwaltungsgerichtsordnung, das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Verwaltungszustellungsgesetz und Verwaltungsvollstreckungsgesetz – um nur einige der praxisrelevanten Normen zu nennen. Zudem stellt man schnell fest, dass es diese Gesetze in der Regel als Bundesgesetz und als Landesgesetz gibt. Die VwGO ist zwar nur ein Bundesgesetz, dafür haben die Länder aber eigene Ausführungsgesetze.

Wann ist nun das Bundes- und wann das Landesgesetz anzuwenden?

Für das Bundes-VwVfG wird die Frage gleich am Anfang klar beantwortet: Es gilt demnach nur für die „Behörden des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). Für die Länderbehörden gilt das Bundesgesetz nur unter ganz engen Voraussetzung, wenn diese im Rahmen der sog. Bundesauftragsverwaltung an Stelle des Bundes handeln.

Analog dazu regeln die die ersten Sätze der Landesverwaltungsverfahrensgesetze, dass diese für die Behörden des Landes anwendbar sind.

Grundregel: Bund regelt Bund, Land regelt Land

Ganz ähnliche Vorschriften findet man auch in den anderen Verwaltungsgesetzen. Die Grundregel ist also, dass immer das Gesetz der jeweiligen staatlichen Ebene gilt. Landesbehörden handeln nach Landesgesetzen, Bundesbehörden nach Bundesgesetzen.

Wichtig ist, dass es keinerlei Vorrang des Bundesgesetzes gibt. Die oft gehörte Formel „Bundesrecht bricht Landesrecht“ ist – wie fast immer – ohne Bedeutung. Der Bund hat keine Kompetenz zur Regelung des Verwaltungsrechts der Länder, also kann Bundesrecht hier gar keine Wirkung entfalten.

Das „gerichtliche Verfahren“ und damit auch der Verwaltungsprozess unterliegt dagegen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG). Darum gibt es auch nur eine Bundes-Verwaltungsgerichtsordnung, die aber auch für Klage gegen Landesbehörden gilt.

Besonderheiten im Widerspruchsverfahren

Hier ergibt sich eine Besonderheit, die auch bis zum Zweiten Staatsexamen häufig noch übersehen wird: Man kann gegen einen Bescheid der Behörde zunächst einmal Widerspruch einlegen, sofern die Länder nicht innerhalb ihres Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung den Widerspruch ausgeschlossen haben, was ihnen die VwGO erlaubt (§ 68 Abs. 1 Satz 2). Dieses Widerspruchsverfahren unterscheidet sich von einem normalen behördlichen Verfahren eigentlich nicht, es findet nur eine Nachprüfung statt. Damit müsste es eigentlich ausschließlich nach dem Landesrecht durchgeführt werden.

Allerdings betrachtet die VwGO das Widerspruchsverfahren als Vorstadium des gerichtlichen Verfahrens. Daher beinhaltet die (Bundes-) VwGO in den §§ 68 bis 73 ein eigenes Verfahrensrecht für das Widerspruchsverfahren. Nur, soweit dort keine Regelungen bestehen, sind die Vorschriften im Verwaltungsverfahrensgesetz anwendbar. Dann allerdings gelten nach mittlerweile ganz herrschender Meinung für Landesbehörden die Länder-VwVfG nach den allgemeinen Regeln. Dagegen regelt § 71 Abs. 3 Satz 2 VwGO, dass die Zustellung des Widerspruchsbescheids nach den Vorschriften des Bundes-Verwaltungszustellungsgesetzes erfolgt.

Dürfen mehrere Zwangsmittel gleichzeitig festgesetzt werden?

anger-1300528_1280Wer dem Staat etwas schuldet, wird früher oder später böse Briefe erhalten, in denen mit allerlei unschönen Konsequenzen gedroht wird. Typischerweise werden Sachpfändungen, Konto- und Lohnpfändung sowie die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung (Vermögensauskunft) unter Androhung eines Eintrags im Schuldnerverzeichnis, ggf. unterstützt durch einen Haftbefehl, in Aussicht gestellt.

Dagegen wird dann teilweise vorgebracht, das sei nicht rechtens, da immer nur ein Zwangsmittel angedroht werden dürfe und nicht die komplette Litanei.

Und tatsächlich besagt z.B. § 13 Abs. 3 des Bundes-Verwaltungsvollstreckungsgesetzes:

Die Androhung muß sich auf ein bestimmtes Zwangsmittel beziehen. Unzulässig ist die gleichzeitige Androhung mehrerer Zwangsmittel und die Androhung, mit der sich die Vollzugsbehörde die Wahl zwischen mehreren Zwangsmitteln vorbehält.

Auch in den relevanteren Landesgesetzen finden sich fast immer entsprechende Regelungen, bspw. Art. 36 Abs. 3 des bayerischen VwZVG oder § 13 des VwVG für das Saarland. § 63 Abs. 3 VwVG NRW und § 20 Abs. 3 VwVG Baden-Württemberg sagen zumindest, dass die Zwangsmittel nur nacheinander zur Anwendung kommen dürfen.

HDU-Verfügung und Geldforderung trennen

Allerdings beziehen sich diese Regelungen alle nur auf die Erzwingung von Handlungen, Duldungen und Unterlassen, sog. „HDU-Verfügungen“. Solche Verfügungen können bspw. die Beseitigung eines Schwarzbaus, der Einbau von Filtern in eine Fabrik, das Stilllegen eines Autos, das Unterlassen von illegaler Vermietung und tausende andere Dinge sein.

Das Zahlen eines Geldbetrags ist zwar an sich auch eine Handlung, allerdings wird nicht diese Handlung erzwungen, sondern es wird durch Vollstreckung irgendein Vermögenswert übertragen. Darum sind in den Vollstreckungsgesetzen diese beiden Vollstreckungsvarianten stets nebeneinander mit unterschiedlichen Vorschriften geregelt. Im Bundes-VwVG bspw. beziehen sich die §§ 1 bis 5b auf Geldforderung, die §§ 6 bis 18 dagegen auf HDU-Verfügungen. Im BayVwZVG sind es die Art. 22 bis 28 bzw. 29 bis 39, in Sachsen die §§ 12 bis 18 bzw. 19 bis 27.

Die im jeweiligen Abschnitt über die Vollstreckung von Geldforderungen aus Leistungsbescheiden keine derartigen Einschränkungen zu finden sind, ist eine Androhung aller denkbaren Maßnahmen grundsätzlich möglich und üblich. Ebenso können verschiedene Pfändungen gleichzeitig durchgeführt werden, es muss also nicht erst abgewartet werden, ob bspw. die Kontopfändung zum Erfolg führt, bevor man die Vermögensauskunft abnimmt.

Erhalten freiwillig gesetzlich versicherte Beamte eine Beihilfe?

Das kommt auf das Bundesland an, meist nicht.

Bei privat krankenversicherten Beamten kommt der Dienstherr (also der Staat, welche Ebene auch immer) im Rahmen der Beihilfe für die Hälfte der Krankheitskosten auf. Den Rest übernimmt die private Krankenversicherung, die daher deutlich günstigere Tarife für Beamte anbieten kann.

Bei gesetzlich versicherten Beamten gilt dies aber nicht und es gibt nicht in allen Bundesländern eine analoge staatliche Leistung.

Das bayerische Landesamt für Finanzen schreibt bspw.:

>>Allerdings müssen freiwillig in der GKV versicherte Beamte ihre Krankenversicherungsbeiträge in vollem Umfang selbst tragen; einen Beitragszuschuss des Dienstherrn – vergleichbar mit dem Arbeitgeberanteil bei versicherungspflichtigen Arbeitnehmern – erhalten sie nicht.

(…)

Beihilfeleistungen können in diesen Fällen nur zu den Aufwendungen gewährt werden, die nicht dem Grunde nach zum Leistungskatalog der GKV zählen (Wahlleistungen im Krankenhaus, Zahnersatz, Heilpraktiker).<<

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