(Letzte Aktualisierung: 25.10.2022)
Für die gerichtliche Klärung verwaltungsrechtlicher Streitigkeiten sind in der Regel die Verwaltungsgerichte zuständig. Auf dieser Seite werden die prozessualen Fragen dieses Verfahrens beantwortet.
Inhalt
Allgemeines
Wofür sind die Verwaltungsgerichte zuständig?
Am einfachsten ist die Frage, ob die Verwaltungsgerichte zuständig sind, zu beantworten, wenn dies ausdrücklich im Gesetz steht. Man unterscheidet dabei zwischen aufdrängenden und abdrängenden Sonderzuweisungen; erstere ordnen die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtsbarkeit an, letztere die Zuständigkeit eines anderen Gerichtszweigs.
Gibt es keine solche Regelung, gilt der allgemeine Grundsatz, dass die Verwaltungsgerichte für alle „öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art“ zuständig sind. (§ 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO)
Welche Verwaltungsgerichte gibt es?
Es gibt drei Instanzen im Verwaltungsprozessrecht, nämlich
- die Verwaltungsgerichte (in Bayern: Bayerisches Verwaltungsgericht),
- die Oberverwaltungsgerichte (in Bayern: Verwaltungsgerichtshof) und
- das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Soll ich der Übertragung auf den Einzelrichter zustimmen?
Im Vorfeld des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird man häufig vom Gericht gebeten, dazu Stellung zu nehmen, ob man der Übertragung auf den Einzelrichter in den Fällen des § 6 und des § 87a VwGO zustimmt.
Grundsätzlich ist es so, dass das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 VwGO mit drei berufsmäßigen Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern (also normalen Bürgern, die keine Juristen sind) besetzt ist, die alle gleiches Stimmrecht besitzen. Außerhalb der Hauptverhandlung entscheiden nur die drei Richter (Satz 2).
Allerdings soll bei weniger komplizierten und weniger bedeutsamen Fällen die Sache an den Einzelrichter übertragen werden (§ 6). Dann entscheidet nur ein einzelner berufsmäßiger Richter alleine.
Vor der Übertragung müssen die Beteiligten jedoch angehört werden, was durch die eingangs genannte Bitte um Stellungnahme passiert. Wie man sich hier verhalten sollte, kann man so allgemein nicht sagen. Dass die Normalbürger jetzt ihrerseits bürgerfreundlicher entscheidet als der Richter, der vom Staat bezahlt wird, lässt sich wohl nicht so pauschal belegen.
Besonders bedeutsam ist es aber ohnehin nicht, wie man sich dabei äußert. Denn die Kammer entscheidet über die Übertragung durch unanfechtbaren Beschluss, die Zustimmung der Beteiligten ist also nicht erforderlich. Wenn die Richter die dagegen vorgebrachten Argumente für nicht stichhaltig erachten, können Sie dagegen nichts tun.
Anders ist es dagegen bei der Entscheidung nach § 87a. In Abs. 1 der Vorschrift geht es darum, dass ein einzelner Richter die dort aufgeführten Beschlüsse, die eher technischer Natur sind, alleine fällen darf. Diese Kompetenz hat er schon kraft Gesetzes, ob das den Beteiligten gefällt, ist vollkommen unerheblich.
Nach Abs. 2 darf der Richter aber auch alle anderen Entscheidungen alleine treffen, sofern die Beteiligten zustimmen. Wenn Sie dem widersprechen, muss also immer die gesamte Kammer (ohne die ehrenamtlichen Richter, § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO) entscheiden. Hier wird man auch davon ausgehen können, dass sich die beiden anderen Richter der Meinung des Berichterstatters, der ja den Fall am besten kennt, anschließen werden.
Grundbegriffe
Was ist die Klagebefugnis?
Die Klagebefugnis bezeichnet die Rechtsposition, überhaupt zur Klage befugt zu sein. Hierfür braucht man, grob gesagt, einen Anlass in Form einer persönlichen Betroffenheit. Man kann also nicht einfach gegen behördliches Handeln klagen, weil einem dies nicht gefällt. Man muss immer geltend machen, selbst dadurch in einem Recht gestört zu werden.
§ 42 Abs. 2 VwGO regelt für die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage:
Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.
Dies wird analog auch für die Fortsetzungsfeststellungsklage (die ja nur eine umgestellte Anfechtungsklage darstellt), für die allgemeine Leistungsklage und für die allgemeine Feststellungsklage angewandt. Für letztere ist zudem ein besonderes Feststellungsinteresse erforderlich.
Gesondert geregelt wird die Klagebefugnis nur für die Normenkontrollklage in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, im Endeffekt aber nicht wesentlich anders:
Den Antrag kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift stellen.
Was sind Sachurteilsvoraussetzungen?
Als Sachurteilsvoraussetzungen bezeichnet man alle Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, damit ein Verwaltungsgericht überhaupt ein Urteil in der Sache fällen darf. Hierzu gehört zunächst die Frage, ob überhaupt die Verwaltungsgerichte zuständig sind (Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs) als auch die Frage, ob das Gericht, an das der Antrag gestellt wurde, zur Entscheidung befugt ist (Gerichtszuständigkeit). Hinzu kommen die echten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage.
Näheres dazu finden Sie unter http://sie-hoeren-von-meinem-anwalt.de/2015/09/die-sachurteilsvoraussetzungen-einer-verwaltungsgerichtlichen-klage/.
Klagearten
Was ist eine allgemeine Feststellungsklage?
Eine allgemeine Feststellungsklage richtet sich darauf, festzustellen, ob ein bestimmtes Rechtsverhältnis zwischen dem Antragsteller und der Behörde (bzw. ihrem Rechtsträger) besteht. Außerdem kann so die Nichtigkeit (also nicht die bloße Rechtswidrigkeit) eines VA festgestellt werden. Die allgemeine Feststellungsklage ist begründet, wenn das betreffende Rechtsverhältnis besteht bzw. nicht besteht bzw. der VA nichtig ist.
Was ist eine Normenkontrollklage?
Eine Normenkontrollklage wird gegen Rechtsnormen erhoben, die im Rang unter einem Gesetz stehen, z.B. Verordnungen, Satzungen oder (hauptsächlich) Bebauungspläne. Sie ist nur zulässig, wenn man geltend macht, durch die Rechtsnorm in irgendeiner Form betroffen zu sein. Die Normenkontrollklage ist begründet, wenn die angegriffene Rechtsnorm formell oder materiell ungültig ist.
Was ist eine Fortsetzungsfeststellungsklage?
Die Fortsetzungsfeststellungsklage wird dann erhoben, wenn gegen den VA nicht mehr im Wege der Anfechtungsklage vorgegangen werden kann, weil sich der VA bereits erledigt hat, also keinerlei Wirkung mehr entfaltet. Zur Zulässigkeit ist entscheidend, dass man trotz Erledigung des VA noch in irgendeiner Form davon betroffen ist und ein Interesse an der Feststellung hat. Diese Klage ist begründet, soweit der VA rechtswidrig war, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. (§ 113 I 4 VwGO)
Was ist eine allgemeine Leistungsklage?
Mit der allgemeinen Leistungsklage kann jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen einer Behörde eingefordert werden, das sich nicht auf einen Verwaltungsakt bezieht (Realakt). Die allgemeine Leistungsklage ist dann begründet, wenn dem Kläger der Anspruch auf das geforderte Handeln, Dulden oder Unterlassen zusteht.
Was ist eine Verpflichtungsklage?
Mit einer Verpflichtungsklage soll die Behörde dazu gebracht werden, einen bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen. Hat die Behörde den VA-Erlass zuvor abgelehnt, bezeichnet man die Klage als Versagungsgegenklage, hat sie gar nichts getan, als Untätigkeitsklage. Verlangt man den Erlass eines VA gegen jemand anderen, muss man sich auf eine Norm berufen können, die einem selbst Schutz vermittelt. Die Verpflichtungsklage ist begründet, soweit die Ablehnung bzw. Unterlassung des VA rechtswidrig ist, der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und er einen Anspruch auf den VA hat. (§ 113 Abs. 1 und 2 VwGO)
Was ist eine Anfechtungsklage?
Eine Anfechtungsklage richtet sich gegen einen Verwaltungsakt und will erreichen, dass dieser aufgehoben wird. Ist man selbst nicht Adressat des VA, muss man seine Betroffenheit darlegen; ansonsten ist die Klage bereits unzulässig. Die Anfechtungsklage ist soweit begründet, wie der VA rechtswidrig ist und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt wird. (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO)
Was ist das Rehabilitierungsinteresse?
Als Bürger kann man eine (Fortsetzungs-) Feststellungsklage einreichen, wenn man ein berechtigtes Interesse an der Erlangung einer bestimmten Feststellung hat. Hierbei ist auch ein sog. Rehabilitierungsinteresse anerkannt: Jemand will, dass eine staatliche Maßnahme für rechtswidrig erklärt wird, weil er durch diese Feststellung rehabilitiert wird, also bescheinigt wird, dass ihm Unrecht widerfahren ist.
Häufig ist dies im Polizeirecht der Fall, wenn also bspw. jemand öffentlich durchsucht oder verhaftet wurde, dann hat er einen Anspruch darauf, dass ein Gericht feststellt, dass dies nicht rechtmäßig war – dies ist das Maximum, was noch zu retten ist, denn ungeschehen kann dies nicht mehr gemacht werden. Die Idee dahinter ist, dass der Betroffene dann jedem, der ihn darauf anspricht, wenigstens das Urteil zeigen kann. Zudem ist – wenigstens bei Personen mit gewissem Bekanntheitsgrad – denkbar, dass dies auch in der Presse richtiggestellt wird. Überdies ist eine gewisse Genugtuung damit verbunden, auf die der Bürger angesichts der Behandlung einen Anspruch hat.
Was ist ein Rechtsverhältnis?
Ein Rechtsverhältnis ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm ergebende rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache.
Dazu gehört z.B. die Frage,
ob eine Erlaubnispflicht nach dem Gewerbe- oder Gaststättenrecht vorliegt,
ob eine Genehmigungspflicht besteht,
ob man ein bestimmtes Recht beanspruchen kann,
ob man Mitglied einer bestimmten Vereinigung sein muss.
Reine Tatsachenfragen (z.B. „Welche Lärmwerte gehen von einem bestimmten Schwimmbad aus?“) können auf diese Weise aber nicht festgestellt werden, es muss sich um ein Rechtsverhältnis handeln.
Wann liegt ein berechtigtes Interesse an einer Feststellungsklage vor?
Das Feststellungsinteresse ist ein Spezialfall des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. In Frage kommen daher alle nachvollziehbaren Gründe, warum man auf ein gerichtliches Urteil Wert legt, insbesondere ein rechtliches, ein finanzielles, ein wirtschaftliches oder auch nur ein ideelles Interesse.
Anerkannt sind hierbei z.B. das Rehabilitierungsinteresse und die Wiederholungsgefahr. Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage zählt auch die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses sowie das Vorliegen einer schwerwiegenden Grundrechtsverletzung dazu.
Wann ist eine vorbeugende Unterlassungsklage statthaft?
Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist bei drohendem Verwaltungshandeln ohne VA-Qualität statthaft. Die Klagebefugnis hierfür besteht, wenn eine Rechtsverletzung durch Verwaltungshandeln nicht ausgeschlossen ist.
(Vgl. BVerwG, Urteil vom 22.10.2014, 6 C 7.13)