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Was ist das Wiederaufgreifen des Verfahrens?
Gemäß § 51 VwVfG kann die Behörde das Verfahren wiederaufgreifen, also „über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden“. In der Regel geschieht dies, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach Erlass des VA zugunsten des Betroffenen geändert hat.
Die Entscheidung über das Wiederaufgreifen ist ein Verwaltungsakt, die Ablehnung kann also angefochten werden. Allerdings richtet sich der Rechtsbehelf dann nur gegen die Wiederaufgreifensentscheidung, nicht gegen die ursprüngliche Sachentscheidung.
Wann ist ein Wiederaufgreifen des Verfahrens denkbar?
Das Wiederaufgreifen des Verfahrens (§ 51) greift einen an sich nicht mehr anfechtbaren Verwaltungsakt an. Dies ist dementsprechend nur unter den besonderen Voraussetzungen des Abs. 1 möglich: Bei einer Änderung der Sach- und Rechtslage (Nr. 1), bei neuen Beweismitteln (Nr. 2) sowie beim Vorliegen von Wiederaufnahmegründen aus der ZPO (Nr. 3), also insbesondere bei Falschaussagen, Urkundenfälschungen, Bestechung oder ähnlich schwer wiegenden Verfehlungen.
Wie leite ich das Wiederaufgreifen des Verfahrens ein?
Das Wiederaufgreifen geschieht grundsätzlich nur auf Antrag. Antragsberechtigt ist der „Betroffene“ (§ 51 Abs. 1 Satz 1 VwVfG), also jeder, der durch den Ursprungsbescheid beschwert ist. Die Geltendmachung des Wiederaufgreifensgrunds darf im Ausgangsverfahren nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig versäumt worden sein (§ 51 Abs. 2). Und schließlich ist noch eine Drei-Monats-Frist ab Kenntnis vom Wiederaufgreifensgrund einzuhalten (§ 51 Abs. 3).
Habe ich einen Anspruch auf Abänderung der Entscheidung bei Vorliegen eines Wiederaufgreifensgrunds?
Nein, diese Fragen sind voneinander völlig unabhängig zu beurteilen. Ein Wiederaufgreifensgrund (§ 51 Abs. 1 VwVfG) verpflichtet die Behörde nur dazu, neu zu entscheiden, also wieder in die Prüfung der Sach- und Rechtslage einzutreten. Welches Ergebnis am Ende steht, beurteilt sich nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere nach dem Ermessen der öffentlichen Verwaltung.
Es ist also durchaus möglich, dass die Behörde zwar das Verfahren neu aufgreift und bspw. neue Tatsachen anerkennt, sie aber auch unter Berücksichtigung dieser Tatsachen zum gleichen Ergebnis wie im ursprünglichen Bescheid kommt.
Welche Rechtsbehelfe hat ein Antragsteller im Rahmen des Wiederaufgreifens des Verfahrens?
Man muss hier unterscheiden:
- Wurde das Wiederaufgreifen abgelehnt, ist hiergegen die Verpflichtungsklage statthaft. In deren Rahmen soll die Behörde dazu verpflichtet werden, einen VA zu erlassen, der das Wiederaufgreifen des Verfahrens (mit noch unbekanntem Ausgang) anordnet.
- Wurde das Wiederaufgreifen abgelehnt und glaubt der Antragsteller, einen Anspruch auf eine genau bestimmte Entscheidung zu haben, kann er neben der Verpflichtungsklage auf Wiederaufgreifen zugleich auch die Verpflichtungsklage auf Erlass dieses Verwaltungsakts (oder die Anfechtungsklage auf Nichterlass) erheben.
- Wurde das Verfahren wiederaufgegriffen, die alte Entscheidung aber bestätigt, sind gegen den neuen VA die „ganz normalen“ Rechtsbehelfe zulässig (i.d.R. Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage) statthaft. Gegen die Wiederaufgreifensentscheidung kann dagegen nicht vorgegangen werden, denn diese wurde ja im Sinne des Antragstellers getroffen.
Ist ein neues Sachverständigengutachten ein neues Beweismittel?
Ja, aber nur, wenn es sich auf einen neuen Sachverhalt bezieht und zu einer günstigeren Entscheidung führt.
Wonach richtet sich die neue Sachentscheidung nach einem Wiederaufgreifen des Verfahrens?
Grundsätzlich nur – wie die Erstentscheidung – nach dem materiellen Recht. Es ist also so zu entscheiden, wie ursprünglich mit dem neuen Wissensstand hätte entschieden werden müssen.
Die Art. 48 bzw. 49 BayVwVfG bleiben außer Betracht. Art. 51 Abs. 5 verweist nur für die Fälle auf Art. 48 und 49, in denen kein Fall des Art. 51 vorliegt.